Montag, 8. Mai 2023

Europas Atombomben




Als Atommacht wird ein Staat bezeichnet, der über Kernwaffen verfügt und zusätzlich die geeigneten Trägersysteme besitzt, um die Kernwaffen einsetzen zu können. Als Atommächte gelten die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und die Volksrepublik China, ferner Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. 

Vereinigtes Königreich

Das Vereinigte Königreich führte am 3. Oktober 1952 seinen ersten Kernwaffentest durch, die Operation Hurricane vor der Küste Australiens. Das britische Projekt erhielt bereits während des Krieges wichtige Daten aus dem Manhattan-Projekt der USA, weshalb ein so rascher Erfolg möglich war. Auch nach Kriegsende kooperierten die beiden Länder eng bei der Entwicklung nuklearer Waffen. Den USA war daran gelegen, dass eine unabhängige Atommacht in Europa existiert, um die Sowjetunion in Schach zu halten. So flossen weiterhin wichtige Erkenntnisse nach Großbritannien, sodass das Land am 15. Mai 1957 seine erste Wasserstoffbombe testen konnte. Der Test fand ebenfalls vor Australien statt.  Ein wichtiges Forschungszentrum war Sellafield; es wurde durch den Windscale-Brand 1957 weltbekannt.

Frankreich

Unter Charles de Gaulle verfolgte Frankreich eine sehr isolationistische Außenpolitik, die u. a. zum Verlassen der NATO führte. Um trotzdem im Ring der Supermächte mitzuspielen, wurde dann auch unter beachtlichen Kosten ein eigenes Atombombenprojekt gestartet. Die Nukleartests fanden anfangs in französischen Kolonien in Nordafrika statt, wo gewisse Bevölkerungsteile und auch französische Soldaten durch die Strahlung Langzeitschäden davontrugen.

Der damalige Staatspräsident von Frankreich Jacques Chirac drohte im Januar 2006, wer als Staatsführer Frankreich mit terroristischen Mitteln angreife oder den Einsatz von Massenvernichtungswaffen auch nur erwäge, müsse sich auf eine „entschlossene und angepasste Antwort“ einstellen, die konventionell oder auch „anderer Art“ sein.
Schlagartig ins Blickfeld der Öffentlichkeit geriet die Force de dissuasion nucléaire erneut am 19. Januar 2006, als der französische Staatspräsident Jacques Chirac im Zusammenhang mit der diplomatischen Krise um das Atomprogramm des Iran „Anführern“ von Staaten, die terroristische Mittel einsetzen, mit Vergeltung „in nicht-konventioneller Form“ drohte. Allerdings hatte sich Frankreich schon seit spätestens 2003 dezidiert vorbehalten, Atomwaffen gegen „Schurkenstaaten“ einzusetzen (vgl. Weblinks). Dazu wurde u. a. die Bestückung der seegestützten Raketen reduziert, um auch Schläge unterhalb der Schwelle des nuklearen Overkills ausführen zu können. Man könne nicht nur die Wahl zwischen [der vollständigen] Vernichtung (des Feindes) und [dem eigenen] Untergang haben, so Chirac. Ob das französische Militär jedoch die zeitweilig beabsichtigte Entwicklung von „Mini-Nukes“ (Atomwaffen mit „begrenzter“ Wirkung) eingestellt hat, ist derzeit unklar (Stand: Anfang 2006). Bislang waren die seegestützten Raketen überwiegend mit Mehrfachsprengköpfen (MIRVs) ausgerüstet, die im Fall eines Abschusses für großflächige, also weitgehend unterschiedslose Verheerungen im Zielgebiet gesorgt hätten.
Allerdings scheint nach wie vor unumstritten zu sein, dass die französische Nuklear-Doktrin keine atomaren preemptive strikes („vorbeugende Schläge“) vorsieht – mit der Einschränkung freilich, dass man sich etwa im Rahmen der NATO-Strategie im Fall eines bereits entfesselten konventionellen Krieges insgesamt einen first strike (den atomaren Erstschlag) vorbehält, und das bereits seit Jahrzehnten. (Gegenüber der NATO-Strategie hat Frankreich ohnehin einige Vorbehalte, was in Frankreichs Doktrin darin seinen Niederschlag findet, dass man bei der Fähigkeit zu weltweiten Militäroperationen auf keinerlei Bündnispartner angewiesen bleiben will.)

Deutsche Teilhabe

Nach Informationen, über die der Spiegel verfügen will, bot 2007 der französische Präsident Nicolas Sarkozy der deutschen Bundesregierung (Kabinett Merkel I 2005–2009 = große Koalition) die Teilhabe an der Entscheidungsgewalt über die französischen Atomwaffen an. Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier lehnten dies laut Spiegel jedoch einhellig ab. Steinmeier entgegnete Sarkozy demnach während eines gemeinsamen Mittagessens am 10. September 2007 im brandenburgischen Schloss Meseberg, Deutschland strebe den Besitz von Atomwaffen nicht an, deshalb sei es auch 1969 dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten. Merkel habe ihrem Außenamtschef ausdrücklich beigepflichtet, hieß es.
2017 befürwortete der Beiratsvorsitzenden des Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS), François Heisbourg, eine deutsche Mitfinanzierung der geplanten Modernisierung der Force de frappe. Damit könnte ein begrenztes Mitspracherecht verbunden sein. Dies wäre allerdings auch unvereinbar mit dem bisher im Entwurf vorliegenden Atomwaffenverbotsvertrag (Artikel 1, Absatz 1c). Er wird vom 15. Juni bis 7. Juli 2017 unter 132 UN-Staaten voraussichtlich abschließend behandelt. Die deutsche Bundesregierung boykottiert diesen Prozess bisher, die Opposition aus Linken und Grünen fordert eine Beteiligung.

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