Die Wirtschaftskrise 2020/21 (auch Corona-Wirtschaftskrise oder Corona-Rezession, auf Englisch auch bekannt als The Great Lockdown) entstand im Zuge der COVID-19-Pandemie.[2] In vielen Ländern wurde im Rahmen von angeordneten Massenquarantänen („Lockdowns“) das soziale und wirtschaftliche Leben weitgehend heruntergefahren. Infolgedessen kam es zu Betriebsschließungen und es wurden Ausgangsbeschränkungen und Kontaktbeschränkungen erlassen, um die ungebremste Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 zu verhindern, das die Krankheit COVID-19 auslöst. In der Folge brachen die Börsen ein, sank weltweit die Wirtschaftsleistung, stieg die Arbeitslosigkeit, und zahlreiche Staaten baten um internationale Kredithilfe.
Im Zusammenhang mit den kommenden Investitionsprogrammen wird auch diskutiert, wie mit diesen Mitteln ein Grüner Wirtschaftsaufschwung, also der Strukturwandel hin zu einer klimaverträglichen Ökonomie, gestaltet werden kann.
Prognosen zur Entwicklung der Weltwirtschaft
Laut der Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) Ende März war die Rezession „unausweichlich“ und wurde als mindestens so folgenreich wie jene in der globalen Finanzkrise 2009 erwartet. Der IWF hatte bereits von 81 Entwicklungs- und Schwellenländern Anfragen nach Krediten erhalte Die OECD gab bekannt, dass jeder Monat, in dem in einem Staat Ausgangsbeschränkungen existieren, „das jährliche Wirtschaftswachstum um zwei Prozentpunkte“ senkt. Die Welthandelsorganisation (WTO) erwartete Anfang April einen starken Rückgang des Welthandels um 13 bis 32 % im Jahr 2020. Mitte April 2020 erwartete der IWF „vermutlich die schlimmste Rezession seit der Großen Depression in den 1930er Jahren“. Die Krise sei „wie keine andere bisher.“ Die Weltwirtschaft werde 2020 um etwa 3 % schrumpfen. De facto seien, anders als in der Finanzkrise um 2009, alle Länder betroffen. Für die USA wurde ein Rückgang um 5,9 % prognostiziert, für die Euro-Zone um 7,5 %. Die EU-Kommission ging Anfang Mai 2020 von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung für die Euro-Zone von etwa 7,75 % aus. Auch 2021 werde es keinen vollständigen Ausgleich geben. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sprach von einem ökonomischen „Schock“, wie es ihn seit der Großen Depression nicht gegeben habe. Im Juli senkte die Kommission ihre Prognose und ging nunmehr von einem Wirtschaftseinbruch um 8,7 % für die Eurozone und 8,3 % für die Union als Ganzes für 2020 aus. Kommissar Valdis Dombrovskis sagte, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Lockdowns seien „noch schlimmer, als wir ursprünglich erwartet haben“. In der Konjunkturprognose stünden Polen, Dänemark, Schweden, Luxemburg und Deutschland verhältnismäßig gut da; Spanien, Frankreich, Italien und Kroatien seien mit mehr als zehn Prozent Minus die größten Verlierer. Grundsätzlich hielt Helmut Ettl, Chef der österreichischen Finanzmarktaufsicht, zu den Prognosen fest: „Corona ist nicht nur für die Gesundheit tückisch, sondern auch bezüglich seiner Wirkung auf die Wirtschaft. Diese Art der Krise kennen wir nicht, wir haben keine Erfahrungswerte.“
Hilfsorganisationen wiesen auf die Gefahr hin, dass an den wirtschaftlichen Folgen der Krise mehr Menschen, vor allem in den ärmsten Ländern, sterben könnten als durch das Virus. Prognosen gingen von 35 bis 65 Millionen Menschen aus, die in die absolute Armut abrutschen könnten, wodurch ihnen der Hungertod drohe. Aus Indien etwa gibt es bereits Berichte über durch die Ausgangssperre vom Hungertod bedrohte Menschen. Anfang April 2020 durfte rund ein Drittel der Beschäftigten weltweit nicht mehr arbeiten. In vielen Ländern fehlen zudem die Einnahmen aus dem Tourismus. Laut der Ratingagentur Fitch lagen die Wachstumsprognosen für viele der größten Industrie- und Schwellenländer für 2020 bei zwischen minus zwei und minus fünf Prozent. Die Welthungerhilfe prognostizierte im Juli 2020, dass aufgrund der Krisenfolgen die Zahl der an Hunger leidenden Menschen auf eine Milliarde steigen könnte. Die Krise wirke laut Generalsekretär Mathias Mogge wie ein „Brandbeschleuniger“ auf bereits existente Krisen. Mogge berichtete, dass er aus Ländern wie Simbabwe oder Kenia höre, dass die Menschen eher an Hunger stürben, als an Corona. Für Simbabwe etwa prognostizierte er ein Ansteigen der Zahl der Hungernden von sechs auf acht Millionen durch die Krise. In Kenia seien die Lebensmittelpreise um 30 Prozent gestiegen.
Ein Modell der von einer wirtschaftlichen Rezession ausgelösten Dynamik operiert mit den Buchstaben „L“, „V“, „U“ und „W“. Der „worst case“ im Fall der COVID-19-Pandemie 2020 bestünde darin, dass die Entwicklung in Form einer „L-Kurve“ darstellbar wäre. Eine langanhaltende tiefere Wirtschaftsleistung würde eine lange Stagnation nach dem Absturz bedeuten. Die extremste Version dieser Entwicklung wäre eine Depression, also eine Phase mit einer Pleitewelle und einer Massenarbeitslosigkeit, in der grundlegendes Vertrauen in eine wirtschaftliche Erholung verlorengeht. Ein steiler Absturz der Konjunktur mit einer baldigen, ebenso schnellen Erholung wurde bei der Finanzkrise 2008 beobachtet. Diesen Verlauf kann man durch ein „V“ darstellen. Durch eine „U-Kurve“ wird eine Entwicklung dargestellt, bei der sich die Erholung nach dem Absturz hinzieht. Der „W-Verlauf“ – rasche Erholung, erneuter Einbruch und erst dann eine belastbare Erholung – wäre das Szenario für den Fall, dass es so etwas wie eine zweite Welle bei den Coronavirus-Infektionen geben wird.
Der Wirtschaftshistoriker Albrecht Ritschl schloss nicht aus, dass die Krise 2020 das Ausmaß der Weltwirtschaftskrise um 1930 annehmen könne. Der momentane Stillstand der Wirtschaft sei, wenn überhaupt, nur mit einer Kriegswirtschaft zu vergleichen. Im internationalen Vergleich stünde dabei Deutschland zwar aufgrund relativ geringer Staatsverschuldung „recht gut da“, sei aber andererseits mehr als andere auf florierende Wirtschaft in Nachbarstaaten angewiesen.
Am 3. Dezember 2020 sagte António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, auf einem virtuellen UN-Sondergipfel zur COVID-19-Krise: „Die extreme Armut nimmt zu; es droht eine Hungersnot. Wir stehen vor der größten globalen Rezession seit acht Jahrzehnten.
Maßnahmen
Die G20 verständigten sich im April 2020 auf einen mindestens einjährigen Zahlungsaufschub in Höhe von 11 Milliarden Dollar, den sie ärmeren Ländern gewährten. Zusätzlich beschlossen die G20-Staaten ein Hilfspaket von bis zu fünf Billionen Dollar.
Der Internationale Währungsfonds stellte bis zu 900 Milliarden Euro als Kredithilfen für besonders betroffene Länder zur Verfügung.
Maßnahmen der EU
Die Europäische Zentralbank beschloss ein bis Ende 2020 laufendes Hilfspaket mit der Bezeichnung Pandemic Emergency Purchase Programme (kurz PEPP), um Anleihen im Wert von 750 Milliarden Euro zusätzlich zu kaufen. Christine Lagarde erklärte dabei mit der Aussage „Es gibt für unser Versprechen keine Grenzen“ ihre Bereitschaft, alle bislang geltenden Einschränkungen für Anleihekaufprogramme der EZB je nach Bedarf aufzuheben. Die EU-Kommission plante ein mit 100 Milliarden Euro ausgestattetes Programm für ein europäisches Kurzarbeitergeld namens „Sure“.
Am 9. April 2020 einigten sich die EU-Staaten auf ein Hilfspaket im Wert von etwa 540 Milliarden Euro, das Kreditlinien aus dem Euro-Rettungsschirm ESM (240 Milliarden Euro), einen Garantiefonds für Unternehmenskredite durch die Europäische Investitionsbank (200 Milliarden Euro) sowie das genannte europäische Kurzarbeitergeld „Sure“ (100 Milliarden Euro) umfasst. An einem Wiederaufbaufonds soll gearbeitet werden. Laut einer Sprecherin der Europäischen Kommission haben die einzelnen Mitglieder der Europäischen Union (EU) inklusive des 540-Milliarden-Euro-Hilfspakets der EU mit Stand April 2020 insgesamt 3,4 Billionen Euro mobilisiert, um die wirtschaftlichen Folgen einzudämmen.
Zur Entlastung der Haushalte der stark betroffenen Länder Italien und Spanien wurden sogenannte Coronabonds, eine Form einer EU-Anleihe, diskutiert. Die Diskussion verlief sowohl auf europäischer Ebene als auch in den EU-Mitgliedsländern kontrovers. Während etwa Frankreich, Italien und Spanien diese befürworten, lehnten vor allem die Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden eine solche Lösung ab. Für diese Länder wurde die Bezeichnung „Die sparsamen Vier“ verwendet. In Deutschland waren weite Teile der Unionsfraktion dagegen, während Bündnis 90/Die Grünen sie befürworteten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich erst dagegen ausgesprochen. Doch im Mai 2020 schlug sie zusammen mit dem französische Präsidenten Emmanuel Macron einen Hilfsfonds für EU-Staaten in Höhe von 500 Milliarden Euro vor, bei dem die EU-Kommission mit Erlaubnis der Mitgliedstaaten jene 500 Milliarden Euro Schulden am Finanzmarkt aufgenommen hätte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug anschließend ein 750 Milliarden Euro umfassendes Konjunktur- und Investitionsprogramm vor, das neben den 500 Milliarden gemeinsamer Schuldenaufnahme die Vergabe von 250 Milliarden umfassenden Krediten an EU-Staaten vorsah. Im Juli 2020 verständigten sich die Regierungschefs der EU-Staaten schließlich nach einem Treffen des Europäischen Rates auf einen 750 Milliarden Euro umfassenden EU-Aufbauplan zur Bewältigung der Wirtschaftskrise 2020 und einen 1074 Milliarden Euro umfassenden Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021–2027, der einer abschließenden Bestätigung durch das EU-Parlament bedarf. Der 750 Milliarden umfassende EU-Aufbauplan setzt sich aus einer gemeinsamen Schuldenaufnahme durch die EU-Kommission (im Sinne der Coronabonds) in Höhe von 390 Milliarden und einer Kreditvergabe an EU-Staaten in Höhe von 360 Milliarden Euro zusammen.
Klimaschutz und Gestaltung des Strukturwandels
Ein Kreis weltweit führender Wirtschaftswissenschaftler regt an, die Wirtschaft mit Maßnahmen zu fördern, die gleichzeitig Klimazielen dienen (Green Recovery genannt). Laut ihrer Analyse führe klimaorientierte Konjunkturpolitik „nicht nur kurzfristig zu Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen, sondern schaffe auch die Grundlage für langfristige Innovationen und eine klimafreundliche wirtschaftliche Entwicklung.“ Als kritisch betrachten sie „Maßnahmen, die die Verbindungen zwischen Wirtschaftswachstum und fossilen Brennstoffen verstärken, und zu künftigen Vermögensverlusten führen“ (vgl. mit Kohlenstoffblase). Eine Studie schlussfolgert, dass ein gut gestaltetes Aufschwungsprogramm, mit einem grünen Stimulutionspaketen und für einen Abbau von Investitionen in fossile Brennstoffe, eine zukunftige Erwärmung um 0,3 °C bis 2050 verhindern könne. Laut der Studie müsse ein systematischer Wandel für eine „Dekarbonisierung“ der Wirtschaftsstrukturen erfolgen, wenn eine signifikante Milderung des Klimawandels erreicht werden soll. Frans Timmermans, Kommissar für Klimaschutz der EU, sagte, dass der „Green New Deal“ die Strategie der EU sei. Er sagte: „Ich glaube, in der Wirtschaft weiß man, dass nur nachhaltiges Wirtschaften auf Dauer Gewinne und Jobs liefern wird. Wir dürfen nicht den Riesenfehler machen, dass wir in eine Wirtschaft investieren, die nicht nachhaltig ist. Die muss dann nachher umgebaut werden und dann haben wir kein Geld mehr für diesen Umbau.“ Timmermanns verwies auch auf die Generationengerechtigkeit: Die jetzt aufzunehmenden Kredite müssten von den kommenden Generationen getilgt werden. Er sagte: „Was für eine Welt bieten wir dann unseren Kindern und Enkelkindern an, wenn wir sagen: Wir bekommen extra Schulden, aber keine saubere Welt und keine ökologisch verantwortliche Politik?“
Schaffung von Generationengerechtigkeit.
Margit Osterloh und Bruno S. Frey, bekannte Vertreter der Wirtschaftswissenschaften im Rentenalter, betonten im Dezember 2020, dass mehr Generationengerechtigkeit hergestellt werden müsse: „Die Älteren haben ein hohes Gesundheits- und Sterberisiko. Ihr wirtschaftliches Risiko ist aber dank ihrer Rente in den meisten Fällen gering. Auch ist ihre Lebensqualität nur wenig eingeschränkt. Fernsehen, Kochen, Lesen und alte Reisefotos hervorholen kann man sogar eine Zeitlang geniessen. Die Jüngeren hingegen haben kaum ein Sterbe- und nur ein geringes Gesundheitsrisiko, aber sie tragen erhebliche wirtschaftliche und soziale Lasten. Diejenigen, die gegenwärtig unseren Wohlstand erarbeiten oder sich in Schule und Ausbildung darauf vorbereiten, bangen zu einem grossen Teil um ihre Existenz oder ihre Zukunftschancen.
Hinzu kommt, dass viele durch Quarantäne und Homeschooling geschädigte Kinder weniger lernen und zu einem deutlich höheren Anteil pädagogischer und psychologischer Betreuung bedürfen. Diese steht aber nicht ausreichend zur Verfügung, weil zahlreiche Betreuungspersonen selber in Quarantäne stecken. Auch wird die Lebensqualität der Jungen stark beeinträchtigt. Sie können ihre Treffpunkte in Klubs, an den Hochschulen und anderen Ausbildungsorten nicht mehr aufsuchen, vom Reisen ganz zu schweigen. Sie müssen zukünftig – bei geringeren Einkommenschancen wegen der verordneten massiven Rezession – neben der steigenden Rentenlast auch noch die steigende Last der Corona-Schulden tragen.“
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