Donnerstag, 21. April 2016

Es ist der Islam - Zwischen Mittelalter und Moderne


Hamed Abdel-Samad

EIN BERICHT VON ALOIS KNOLLER 

Das arabische Wort Sukhriyya für Sarkasmus, Ironie ist im Koran sehr verpönt. Denn die Bewohner der Pilgerstadt Mekka hatten den Prediger Mohamed oft verspottet, seine Drohungen mit Höllenstrafen für Ungläubige beeindruckten die religiös toleranten Mekkaner nicht. Es sollte ihnen schlecht bekommen: Mohamed siedelte nach Medina um, verschärfte den Ton seiner Verkündigung, verbündete sich mit den Saa'alik, den Kämpfern des organisierten Verbrechens seiner Zeit, und eroberte die Stadt der Kaaba. 


Für den scharfzüngigen islamischen Intellektuellen Hamed Abdel-Samad ein Beweis, dass es dem Propheten, der heute weltweit 1,1 Milliarden Muslime nicht um Prinzipientreue, sondern um die Macht ging. Aus dem milden Lehrer Allahs sollte der strenge Rächer und kriegslüsterne Eroberer werden. Ein überaus kenntnisreiches Buch widmet der aus Ägypten stammende Politologe, der auch schon an der Universität Augsburg gearbeitet hat, einer „Abrechnung" mit dem überhöhten Mythos Mohamed, der manche hässliche Seite an ihm verkleistert. Doch die grausamen Krieger der Terrororganisation „Islamischer Staat" können sich genauso überzeugt auf Mohamed berufen wie die Mehrheit der friedliebenden Muslime. Die Widersprüchlichkeit liegt in der Lehre des Propheten selbst. 

Aus diesem Dilemma bezieht das Buch seine intellektuelle Schärfe, zumal Abdel-Samad den Koran tatsächlich in- und auswendig kennt. Mohamed war geprägt von der Erfahrung des Entwurzeltseins 

* Diese Erfahrung teilte er mit den jungen Männern die heute über das Mittelmeer nach Europa kommen, oder den Europäern die mit der Moderne nicht mehr zu recht kommen und deshalb zum Islam übertreten.

Bevor er ihn lesen konnte, verstand er, seine Suren aufzusagen. Dieser Zugriff ermöglicht ihm eine gründliche Auseinandersetzung mit dem (arabischen) Text, dessen 6236 Verse im Lauf von 23 Jahren offenbart wurden. Gleichermaßen eingelesen ist Abdel-Samad in die verschiedenen Hadith-Sammlungen der Aussprüche Mohameds, in die zeitgenössischen biografischen Quellen und die neuere Forschungsliteratur. 

So zeichnet der Autor ein psychologisches Porträt des Propheten, der zeitlebens von der kindlichen Erfahrung des Einsam- und Entwurzeltseins geprägt war, ebenso anlehnungsbedürftig an eine fürsorgliche Frau, wie unberechenbar in seinem Verhalten und Urteilen. Abdel-Sa-mad bescheinigt Mohamed einen eklatanten Mangel an Empathie. 

Noch am Tag der Ermordung ihres Mannes und ihres Bruders beharrte er auf Geschlechtsverkehr mit Safiyya, die damit von seiner Gefangenen zu seiner Gemahlin wurde. Mohamed habe nur sich selbst gekannt und von seinen Anhängern Bewunderung, Liebe und unbedingten Gehorsam gefordert. Großzügig nahm er sich von den eigenen Regeln aus, heiratete viel mehr Frauen, als er seinen Gläubigen gestattete. Willkürlich habe er sich zum Herrn über Leben und Tod aufgeschwungen, habe er hinrichten lassen — oft unter Berufung auf eine Weisung des Erzengels Gabriel —, wen er wollte, was vor allem den Juden in Medina zum Verhängnis werden sollte. Ihnen gegenüber wurde er immer feindseliger und betrachtete ihre Ausrottung als heilige Mission.

 Auch der Ton in Abdel-Samads Buch über Mohamed verschärft sich gegen das Ende hin, ohne jemals unsachlich zu werden. „Das, woran die islamische Welt krankt, kann nur geheilt werden, wenn Muslime sich von den multiplen Krankheiten des Propheten lösen: Fatalismus, Zwangsstörung, Selbstüberschätzung, Paranoia, Kritikunfähigkeit sowie die Neigung zum Beleidigtsein", schreibt der Politologe. Er rät, „Mohamed aus dem Käfig der Unantastbarkeit zu entlassen und ihn Mensch werden zu lassen". Westliche Mohamed-Karikaturen täten ihm sogar einen Gefallen. Denn sie böten den Muslimen die Chance, endlich entspannter mit heiligen Texten und Symbolfiguren umzugehen. Den Satirikern würden die Muslime irgendwann dankbarer sein als den Beschwichtigern und Verharmlosern, prophezeit Abdel-Samad. 

» Hamed Abdel-Samad. Mohamed. Eine Abrechnung. Droemer Verlag, 240 Seiten"

Er kennt den Koran und Mohamed ausgesprochen gründlich. 
Deshalb holt der arabische Politologe Hamed Abdel-Samad zu einer Abrechnung mit dem überhöhten Mythos aus. 

Auszugsweise aus der Augsburger Allgemeinen Zeitung

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